Es ist nicht leicht, eine Behauptung gegen jegliche Widerrede zu verteidigen, nicht einmal in den Fällen, die uns am sichersten scheinen. Hilfreich ist es allerdings natürlich immer, wenn man Gründe angeben kann, die einen dazu bewegen, etwas anzunehmen. Wie wir jedoch im folgenden sehen werden, stellt sich das als schwierig heraus und das sogar, wenn man sich auf empirische Daten stützt. Es kann natürlich immer jemand fragen, ob es nicht doch anders sein könnte, als man annimmt. Das übliche Vorgehen, wenn wir auf etwas schließen, ist bekanntlich derartig, dass wir aus Aussagen, die wir voraussetzen, weitere Aussagen gewinnen können. Entsprechend kann man das Verfahren einfach umdrehen und mit dem Grund antworten, aus dem die angegriffene Behauptung folgt: „Meine Aussagepfolgt zwingend aus der Wahrheit vonq und ich weiß, dass q wahr ist.“ Nun könnte die Gegenpartei aber wieder antworten: „Und meine Aussagenicht-pfolgt zwingend aus der Wahrheit vonnicht-q und ich weiß, dass nicht-q wahr ist.“ Wahrscheinlich wird die Vertreterin der ursprünglichen Position wieder antworten können, dass es ja auch einen Grund gebe, dass man q weiß, nennen wir ihnr.Damit wäre p besser begründet als nicht-p. Wenn man weiß, dass r, dann weiß man schließlich auch, dass q und wenn man weiß, dass q, dann weiß man auch, dass p. Die Antwort der Gegenpartei kann man sich nun schon fast denken, sie wird wohl lauten, dass man doch auch hier einfach wieder das genaue Gegenteil behaupten könnte und die Behauptung nicht-p eben durch nicht-q und nicht-q wiederum durch nicht-r begründet sei. Das Problem hier ist, dass sich die Kette theoretisch endlos fortsetzen ließe und auch die sehr faule Gegenpartei zumindest möglicherweise immer noch recht haben könnte. Dieses Problem lässt sich der Bewegung des Skeptizismus zuordnen, die sich historisch bis zur Figur des Pyrrhon zurückführen lässt, der mit dem Heer Alexanders des Großen bis nach Indien gereistund nach der Bekanntschaft mit Asketen und Brahmanen begonnen haben soll, alles in Frage zu stellen, um im Zustand der Enthaltung Seelenruhe zu finden.1Das soeben angerissene Problem (die Möglichkeit, immer eine gleichwertige Gegenbehauptung zu finden) wird in all seiner Schärfe in den fünf Tropen des Agrippa dargestellt, die ich hier im folgenden nach der Liste des Sextus Empiricuskurz darstellen und kommentieren möchte.2
Dieser kurze Artikel erhebt nicht den Anspruch, eine Analyse der überraschenden und originellen mystischen Konstruktion des Heiligen Johannes vom Kreuz zu sein, die glücklicherweise Dunkle Nacht genannt wird. Das Werk des mystischen Doktors entzieht sich, wie die Gelehrtesten zugeben, jeder Analyse, so wie die Luft uns entweicht, wenn wir die Hand schließen, um sie aufzufangen. Die „Dunkle Nacht“ des heiligen Johannes vom Kreuz besteht aus dem gleichnamigen Traktat und dem Traktat „Aufstieg auf den Berg Karmel“.
Der heilige Johannes vom Kreuz war ein Karmeliter-Ordensmann des 16. Jahrhunderts (1542-1591), der zusammen mit der heiligen Teresa von Avila die Reform seines Ordens in einer sehr feindseligen Umgebung vorantrieb. Spanien hatte damals seine Macht über die Grenzen der Sonne hinaus ausgedehnt, und mit dem Gebrüll seiner siegreichen Arme verlor sich das Leben dieses Ordensbruders wie eine Blase, die ein Licht in der Unermesslichkeit des Meeres reflektiert. In diesem kaiserlichen Spanien, übermächtig und prächtig, ist er nur der Sohn eines armen Webers. Auf Bitten einiger Nonnen schrieb er einige Verse, und dann schrieb er auf Bitten einiger Ordensbrüder einige Erklärungen zu diesen Versen. Im Alter von 49 Jahren schied er ohne Ruhm und mit vielen Sorgen aus dem Leben und litt unter den Schmerzen eines schrecklichen Geschwürs. Seine Schriften fanden Zuflucht in Klosterräumen. Er hatte in einem seiner wunderbaren Lieder gesagt:
Alles erlosch, ich gab mich auf,
ließ meine Sorge fahren,
vergessen unter Lilien.
Der Name des Karmeliten Johannes vom Kreuz ist von der Zeit gezeichnet. Es ist ein Name, der kein Gewicht hat. Es vergehen 135 Jahre. Der kaiserliche Ruhm Spaniens ist am Verwelken, und siehe da, im Zwielicht so vieler menschlicher Größe taucht der Name von Johannes vom Kreuz wieder auf, klar in himmlischem Glanz. Der kleine, magere, ausgemergelte Ordensbruder, der einige Gedichte und Prosa verfasst hat, wurde am 27. Dezember 1726 von Papst Benedikt XIII. heiliggesprochen. Johannes vom Kreuz ist der Heilige Johannes vom Kreuz. Er war eine Feder auf dem Flügel, die einem göttlichen „ich weiß nicht was“ entgegenflog, und er war mächtiger als die Zeit:
Lust am Gut, das endlich ist,
kann zu anderem nicht frommen,
als die Sinne abzustumpfen
und den Überdruss zu wecken.
Alle Süßigkeit der Welt
soll drum nie mein Inn’res fesseln,
sondern nur – ich weiß nicht was –,
das sich wohl noch einmal findet.
(Das Göttliche)
Aber es gab immer noch eine Ecke seiner Existenz im Schatten. Johannes vom Kreuz war nicht nur ein Heiliger, sondern auch ein Dichter, ein Mystiker, ein Meister. Was wurde aus seiner Poesie und Prosa? Seit seinem Tod sind fast drei Jahrhunderte vergangen, ohne dass die Antennen der Kritik das Auftauchen eines literarischen Phänomens registriert hätten, das den Namen Johannes vom Kreuz trägt. Waren diese Strophen, die zur Erholung armer Nonnen geschrieben wurden, diese Prosa, die die Verse verdeutlichte, die Mühe wert? Oder waren sie so hoch, dass sie aus den kleinen Hügeln der Beobachter nicht unterschieden werden konnten?
Sicher ist, dass Spanien diese wunderbare und aufregende neue Welt der Poesie erst entdeckte, als Menéndez Pelayo in Spanien, Peers in England und Pfandl in Deutschland sie mit unbekannter Klarheit betrachteten. Zu unserer Ehre müssen wir sagen, dass es unsere Sensibilität, die Sensibilität unserer Zeit, war, die vor der Leier des größten Dichters mit unaussprechlicher und überschwänglicher Rührung vibrierte. Johannes vom Kreuz, das mehr als zwei Jahrhunderte lang nicht einmal erwähnt wurde, hat bei Kritikern, Forschern und Gelehrten den höchsten Status erreicht, den ein literarisches Werk erreichen kann. Aus der Vergessenheit heraus erreichte es schwindelerregend den höchsten Gipfel der Überwindung, und dort glüht es seither mit der geheimnisvollen und anziehenden Flamme eines Zaubers, der bei jeder Lektüre erneuert wird.
In der Nacht zum 3. Dezember 1577 wurde Johannes vom Kreuz inhaftiert und in das Karmeliterkloster in Toledo gebracht, wo er vor ein Gericht gestellt wurde, das ihm befahl, die teresianische Reform zu widerrufen. Als er sich weigerte, wurde er zum Rebellen und Widerspenstigen erklärt. Daraufhin wurde er in eine dunkle, enge Zelle gesperrt, wo er mehr als acht Monate blieb, bis ihm die Flucht gelang. Während dieser Gefangenschaft, in einem Zustand völliger Verlassenheit, der bei anderen das Denken lähmt, beginnt Juan de la Cruz mit dem Schreiben seiner Gedichte. Wenn Johannes vom Kreuz auf diese Episode in seinem Leben verweist, spielt er auf ein biblisches Bild an: Er fühlte sich wie Jona im Bauch eines Tieres, als er sich im Inneren des Wals befand. Hier könnten wir das biblische Bild des Samenkorns verwenden, das begraben werden und sterben muss, um Leben zu schenken.
Die Dunkle Nacht wurde während seiner Zeit als Prior in Granada im Jahr 1583 fertiggestellt. In der Dunklen Nacht geht es um die passive Läuterung, d.h. um das, was Gott in der Seele tut, indem er auf außergewöhnliche Weise in sie eingreift, und wenn die Seele sich diesem Werk der göttlichen Macht nicht widersetzt. Die Lektüre dieser erstaunlichen Seiten, die mit technischer Strenge und nüchternem Stil geschrieben sind, ist beeindruckend und umso schwieriger in der Praxis unseres Lebens umzusetzen, je mehr wir über das Gelesene meditieren: Das liegt zweifellos daran, dass sie das Pulsieren all der Begierden und Geschmäcker und Gewohnheiten, die uns an Dinge und Menschen binden, im Bewusstsein unserer gedämpften Spiritualität und mit einem heftigen Rhythmus widerhallen lässt. Die Klarheit der Dunkle Nacht durchdringt alle undurchsichtigen Körper, die in unserer Seele die liebende Begegnung mit Gott unterbrechen. Daher unser erschütterndes Entsetzen über diese Lektüre, die den Geist in eine qualvolle und befreiende Trance versetzt.
Fuente: Biblioteca Nacional de España
Und was ist diese dunkle Nacht in der Mystik des heiligen Johannes vom Kreuz? Sich darauf einzulassen, bedeutet, es zu fürchten. Es ist also eine Nacht, in der Schrecken und Entsetzen in einem ungeahnten Wechselbad der Gefühle durch etwas ersetzt werden, das so glücklich ist, dass einem der Atem stockt. In dieser Nacht wird das Zusammenspiel aller Teile unserer Empfindsamkeit so schmerzhaft repariert, dass dieselben Teile, dieselbe Empfindsamkeit, dieselbe Person mit einer so berauschenden und vollständigen Liebesfreude erfüllt werden, „dass sie wie das ewige Leben schmeckt“.
Was das für ein geistiges Phänomen ist, kann niemand sagen, nicht einmal diejenigen, die es erlebt haben. Der heilige Johannes vom Kreuz warnt uns, dass weder menschliches Wissen ausreicht, um es zu verstehen, noch Erfahrung, um es zu sagen. Es ist einfach - und erstaunlich - dass die menschliche Seele Gott genossen hat, in einer Vereinigung mit ihm, der intimsten, innigsten und vollkommensten Vereinigung, die in diesem Leben möglich ist. Und die Reihe von Bitterkeiten, Schrecken und Dürren, die sie erlitten hat, um diese Vereinigung zu erreichen, wird die dunkle Nacht genannt.
Johannes vom Kreuz sagt, dass aus drei Gründen wir sagen können, dass dieser Übergang, den die Seele zur Vereinigung mit Gott macht, Nacht genannt wird. Das erste ist das Ende, von dem die Seele abweicht, weil ihr Appetit weiterhin den Geschmack aller Dinge der Welt vermissen muss, und dieser Mangel ist wie die Nacht für alle Begierden und Sinne des Menschen. Der zweite Teil des Weges, auf dem die Seele zu dieser Vereinigung gelangen muss, ist der Glaube, der auch für den Verstand dunkel ist wie die Nacht. Die dritte, von Seiten des Ziels, zu dem sie geht, das Gott ist, das, da es unbegreiflich ist, auch als dunkle Nacht für die Seele in diesem Leben bezeichnet werden kann, welche drei Nächte die Seele durchlaufen muss, oder besser gesagt, sie muss sie durchlaufen, um zur göttlichen Vereinigung mit Gott zu gelangen.
Johannes vom Kreuz stellt klar, dass es nicht drei Nächte gibt, sondern drei Phasen einer einzigen Nacht, ähnlich wie die drei Phasen unserer Nächte, die mit dem schwindenden Licht der Dämmerung beginnen: Die Dinge beginnen aus unserem Blickfeld zu verschwinden. Dann die Phase der Mitternacht, abgeschieden in einem absoluten Schattenkreis: die Seele ist völlig im Dunkeln, nicht weil die Sinne nicht funktionieren, sondern weil die Seele keinen Geschmack an den Dingen hat (die Dinge dieser Welt beschäftigen die Seele nicht, noch schaden sie ihr). Die dritte und letzte Phase der Nacht ist diejenige, in der sich die Schatten allmählich zurückziehen, bevor die Morgendämmerung ruhig beginnt. Die Seele rückt näher an Gott heran.
GESÄNGE DER SEELE
In einer dunklen Nacht,
entflammt von Liebessehnen,
o seliges Geschick!
entfloh ich unbemerkt,
da nun mein Haus in Ruhe lag.
In Dunkelheit und ungefährdet,
auf geheimer Leiter, vermummt,
o seliges Geschick!
in Dunkelheit und im verborgnen,
da nun mein Haus in Ruhe lag.
In der seligen Nacht,
insgeheim, so daß mich keiner sah,
und ich selber nichts gewahrte,
ohne anderes Licht und Geleit
außer dem, das in meinem Herzen brannte.
Dieses führte mich
sicherer als das Mittagslicht
dorthin, wo meiner harrte
der mir wohl Vertraute,
an den Ort, wo niemand sonst sich zeigte.
O Nacht, die mich lenkte!
O Nacht, holder als das Frührot!
O Nacht, die den Geliebten
mit der Geliebten vereinte,
die Geliebte in den Geliebten wandelte.
An meiner blühenden Brust,
die für ihn sich ganz bewahrte,
dort schlief er ein,
und war zärtlich zu ihm,
und die Zedern fächelten im Wind.
Der Windhauch von der Zinne
als er nun sein Haar ausbreitete -
mit seiner leichten Hand
berührte er meinen Hals
und machte alle meine Sinne schwinden.
So blieb ich und vergaß mich selbst,
neigte das Antlitz über den Geliebten.
Alles erlosch, ich gab mich auf,
ließ meine Sorge fahren,
vergessen unter Lilien.
Quelle:
-Johannes vom Kreuz: „DIE DUNKLE NACHT - DIE GEDICHTE“, in: Johannes Verlag Einsiedeln, Freiburg 2003.
-Menéndez y Pelayo, Marcelino: “De la poesía mística”. Alicante : Biblioteca Virtual Miguel de Cervantes, 2008.
-Rauchenbichler, Joseph: „Gesänge der Heiligen“. Landshut 1837.
-Weinhart: „Heiliger Johannes vom Kreuz“, in: Sämtliche Werke in fünf Bänden. Theatiner Verlag, München 1925.
Martin Heidegger veröffentlichte im Jahr 1927 Sein und Zeit und erregte damit großes Aufsehen unter seinen Zeitgenossen. In der Zwischenkriegszeit, desillusioniert vom Fortschritt, den die Philosophie der Moderne versprach, taucht ein Freiburger Professor - ebenfalls ein Schüler Husserls - auf, der von der Unauthentizität von „das Man“ und von der Authentizität des Daseins selbst spricht, wenn es sich seiner eigenen Endlichkeit und des unangreifbaren Charakters seines Todes bewusst ist. Heidegger erschüttert die akademischen Klöster, konfrontiert die traditionelle Metaphysik und fragt erneut nach dem Sinn des Seins. Dieses wird nun nicht von der Unendlichkeit her zu verstehen sein, sondern von derjenigen Entität, die dem Sein eröffnet ist: dem Dasein, also von der Endlichkeit her. Sein und Zeit brachte Heidegger in die akademische Welt der späten zwanziger Jahre und seine Philosophie wurde zu dieser Zeit viel diskutiert.
Doch 1935 hält Heidegger, für viele überraschend, in Freiburg einen Vortrag über den Ursprung des Kunstwerkes. Am 17. und 24. November sowie am 4. Dezember 1936 hält er in Frankfurt drei Vorträge, die später unter dem Titel „Der Ursprung des Kunstwerkes“ zusammengefasst und 1950 in Holzwege als Aufsatz veröffentlicht werden.
Nun kann man sich fragen: Warum bietet Heidegger plötzlich einen Vortrag zur Kunst an? Warum erscheint die Kunst für diese Jahre als entscheidende Frage? Wir finden nur kurze Erwähnungen zu dieser Thematik in seinen Werken vor der Abhandlung über die Kunst. Heidegger selbst deutet implizit ein „Hin und Her“ zwischen beiden Momenten seines Denkens zur Analyse von Der Ursprung des Kunstwerkes im Anhang (1956) dieses Werkes an: „Der ganze Aufsatz über 'Der Ursprung des Kunstwerkes' bewegt sich, wissentlich, aber stillschweigend, auf dem Weg der Frage nach dem Wesen des Seins. Die Reflexion darüber, was Kunst sein kann, wird allein und entscheidend von der Frage des Seins bestimmt. Kunst wird weder als Sphäre der Verwirklichung von Kultur noch als Manifestation des Geistes verstanden: sie hat ihren Platz im Ereignis, dem Ersten, von dem aus der 'Sinn des Seins' bestimmt wird“.
Kurz gesagt, die Frage nach dem Wesen des Kunstwerkes ist nicht die Frage nach dem Werk als Museumsobjekt oder als ein von der Ästhetik theoretisiertes Objekt, sondern nach seiner Rolle bei der Konstitution von Bedeutung. Die ästhetische Frage nach der Kunst beschränkt sich für Heidegger auf die Betrachtung der gefühlsmäßigen Beziehung eines Subjekts zu einem Objekt, wobei das Kunstwerk ein Objekt ist, das für einen gefühlsmäßigen Zustand schön ist. Heidegger fragt sich als Phänomenologe nach dem Ursprung der Manifestation der Dinge, der Manifestation dessen, was sich uns darbietet: Wovon zeigt sich mir das Sein als Sein? Die Frage nach dem Sein ist die Frage nach den Bedingungen seiner Manifestation. Das Seiende ist auf viele Arten gegeben und eine davon ist das Kunstwerk. Deshalb kann die Frage nach der Kunst nur von der Frage nach dem Sein her verstanden werden. Die Frage nach dem Werk hat kein ästhetisches, sondern ein ontologisches Anliegen: Die Frage nach dem Sein ist es dann, die „Der Ursprung des Kunstwerkes“ in den Gedankengang Heideggers einrahmt und uns den Sinn dieses zunächst überraschenden Werkes verstehen lässt.
Normalerweise verwenden wir das Wort Ursprung und verstehen es als das, woher etwas kommt - ohne uns darüber hinaus nach der Modalität dieses Ursprungs zu fragen. So entgeht uns das Geheimnis des Ursprungs, nämlich dass er nicht gebären kann, wenn er nicht selbst verschwindet. Mit anderen Worten: Es gibt keinen „Ursprung“, wenn er nicht zugunsten des Entstandenen ist, ohne eine Abweichung, die fortan das Entstandene vom Ursprung trennt.
Der Ursprung des Kunstwerkes, sagt Heidegger, ist die Wahrheit. Wir werden nicht in der Lage sein, voranzukommen, solange wir eine vage und konventionelle Vorstellung von Wahrheit haben. Letzteres ist nichts anderes als die traditionelle Bedeutung von Wahrheit als Übereinstimmung (adaequatio), genauer: Übereinstimmung dessen, was wir sagen - oder, allgemeiner, unserer Darstellung - zu dem, was es wirklich ist. Es ist nicht diese Wahrheit, von der Heidegger spricht. Er lädt uns ein, auf den griechischen Namen für Wahrheit zu hören und zu verstehen, was dieser Name aussagt. Ἀλήθεια [Alétheia] spricht direkt zu jedem Ohr, das ein Rudiment des Griechischen kennt, und lässt ihn das Privativ-Alpha und das Subjekt bemerken, das sich von dem Verb λανθάνω [lantháno] ableitet: entkommen.
Was ἀλήθεια [alétheia] sagt, ist so einfach wie geradlinig: Wahrheit, wie es hier gesagt wurde, ist genau diese Situation, in der die Bewegung des Entkommens unterbrochen wird. Die griechische Erfahrung der Wahrheit ist ganz und gar von dem geradezu tragischen Gefühl bestimmt, in dem sich der Mensch befindet, der sich der Evidenz hingeben muss, dass alles, was er weiß oder zu wissen glaubt, schwankend ist, immer im Begriff ist, ihm zu entkommen, für den diese Flucht aber von Zeit zu Zeit unterbrochen wird, und der in der Spanne eines Blitzes mit dem konfrontiert wird, was ist. Dort, im Gedächtnis des Blitzes, liegt der Ursprung des Kunstwerkes.
Das Heideggersche Denken zeigt vielfältige Wege auf, und vielfältig sind die Interpretationen dieser Wege. Wir kommen zu dem Schluss, dass es in der philosophischen Reiseroute des deutschen Denkers eine grundlegende Kontinuität gibt: die Frage nach dem Sein. Nur unter Berücksichtigung dieses Interpretationsschlüssels macht die Abhandlung über Kunst Sinn.
πάντα ῥεῖ
Gabriel Valdez
Bibliographie: L’art en liberté, Pocket, París, 2006; pp. 295-309
René Descartes beschreibt in seinem Discours de la Méthode von 1637, den man vielleicht als Vorbereitung auf die vier Jahre später erschienenen Meditationes de Prima Philosophia verstehen kann, wie er plant, nachdem er sämtliche noch verbleibenden eventuell schädlichen oder störenden Grundsätze beseitigt hat, zu sicherem Wissen zu kommen. Die Darstellung soll streng sein und alles soll zwingend aus jeweils bereits zuvor gesicherten Grundsätzen gefolgert werden.
Auf das genauere Vorgehen werde ich eventuell an anderer Stelle eingehen, doch schon auf den ersten Blick scheint das Vorhaben kein allzu leichtes zu werden. Selbstverständlich würde idealerweise jede Entscheidung auf diese Weise getroffen, streng folgend aus sicheren Grundlagen, so klar uns natürlich auch aus allen Bereichen des Lebens ist, dass das selten passiert. Doch muss man irgendwie anfangen und zumindest liegt hier ein Vorschlag vor, wenn auch mit der Betonung, dass er nur das eigene Vorgehen beschreibe und keineswegs präskriptiv für die Untersuchungen anderer zu verstehen sei. Ich möchte trotzdem versuchen, mich hier nach einem möglichen Anfang umzusehen.
Eine der in meinen Augen wichtigsten Stellen in diesem vorbereitenden Werk möchte ich direkt vorweg nehmen, obwohl sie bereits aus dem dritten Kapitel stammt, also schon nach der Darlegung der Hauptregeln der Methode. In diesem Kapitel stellt Descartes sich einige Leitlinien für den Zwischenzustand zwischen seinem alten, noch ungesicherten Wissen und dem kommenden, gesicherten Wissen auf, provisorische Regeln für den Übergang. Er umschreibt das sehr schön in den folgenden Worten:
Endlich genügt es nicht, das Haus, in dem man wohnt, nur abzureißen, bevor man mit dem Wiederaufbau beginnt, und für Baumaterial und Architekten zu sorgen oder sich selbst in der Architektur zu üben und außerdem den Grundriß dazu sorgfältig entworfen zu haben, sondern man muß auch für ein anderes Haus vorgesorgt haben, in dem man während der Bauzeit bequem untergebracht ist.1
Nun bin ich, trotz einer besonderen persönlichen Affinität seinem Werk gegenüber, in sehr vielen Punkten nicht einer Meinung mit Descartes: sicherlich sind die Gesetze, Sitten und religiösen Vorstellungen an die er sich der Einfachheit wegen halten möchte, nicht dieselben wie die Normen, die ich für den Moment als pragmatische Orientierungsmöglichkeiten wählen möchte. Auch werde ich in meinen Untersuchungen sicherlich nicht zu dem Schluss kommen, nichtmenschliche Tiere könnten keinen Schmerz empfinden. Doch man kommt kaum ohne eine provisorische Regelung aus. Sollte es ganz unmöglich sein, für alles eine Letztbegründung zu finden, ist eine Reihe von nützlichen Dogmen und Heuristiken vielleicht sogar das beste, das wir überhaupt erreichen können. Die noch recht vagen, da provisorischen Sittenregeln, nach denen ich mich für den Moment richte, sind die folgenden: