Astropolitik aus philosophischer Perspektive

Astropolitik aus philosophischer Perspektive
Eine Brücke zwischen Realpolitik und Kant: Aufbruch zur Astropolitik aus philosophischer Perspektive 

Wo wohnen Sie? Nicht was Sie auf diese Frage antworten, sondern viel mehr wie ist hier von Signifikanz. Geben Sie etwa Ihre Stadt an? Ihren Landkreis, Ihre Region, Ihr Bundesland – oder eben Ihre Nation? Selbstverständlich können Sie einiges bei dieser Frage als Antwort angeben, denn Sie können natürlich in Bonn, wie gleichzeitig auch im Rheinland leben. Ferner können Sie beides mit Überzeugung und Stolz sein: ein Bonner, wie auch ein Rheinländer. Oder denken Sie etwa, dass ein überzeugter Rheinländer nicht auch stolz auf Bonn sein kann? Nach dem gleichen Prinzip können Sie überzeugter Europäer und Deutscher sein.

Ihre Identität besteht aus mehreren Schichten. Diese schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern ergänzen sich. Heißt auch: Nationalstaaten und Föderationen können gemeinsam existieren. Kant verschriftlichte bereits vor 226 Jahren dazu Gedanken. Er definierte als den Aufgabenbereich eines „Völkerbundes“ (von mir oben „Föderation“ genannt) das Auswärtige – nicht das Innere. Expansion wird so zu einem internationalen Ziel und den Staaten bleibt ihre Souveränität erhalten. Laut Kant – und es lässt sich ihm nur zustimmen – ist die Idee eines Weltstaats realitätsfremd. Vielleicht noch nicht mal wünschenswert. Stattdessen sollten eben Bünde angestrebt werden. Sie sollen nach Außen wirken und föderativ gestaltet sein. 

Schon lange existieren Bestrebungen, die Sicherheitspolitik der Europäischen Union auszubauen – zum Beispiel durch eine erhöte militärische Autonomie und eine europäische Armee. Auch haben verschiedene Vereine und Bewegungen als Forderung festgelegt, dass die EU föderativer gestaltet werden müsse (als Beispiel sei hier die „Europa-Union Deutschland e.V.“ genannt). Ein gemeinsames Vorgehen in den auswärtigen Angelegenheiten wäre ein Schritt in die Nähe beider Punkte.

Ein wahres Zukunftsthema ist hierbei der Weltraum. Es ist interessant zu wissen, dass bis zum Ende von 2010 der Begriff „space policy“ in EU-Dokumenten mit „Raumfahrtpolitik“ übersetzt wurde – und erst danach endlich mit „Weltraumpolitik“. Diese Veränderung in der Wortwahl unterstreicht die wachsende ökonomische, ökologische und militärische Bedeutung des Alls.
Es existieren zahlreiche gute realpolitische Gründe dafür, warum die Europäische Union ihre Tätigkeiten im All ausbauen, wie auch diese sicherheitsorientierter und demokratischer gestalten sollte. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben zurzeit 190 militärische Satelliten im Weltraum – nebenbei werden ein Weltraumkommando und die sogenannte „Space Force“ aufgebaut. Während Frankreich in die gleiche Richtung gehen wollte, pochte Deutschland auf eine europäische Lösung. Die Idee ist sinnig, denn wer könnte sich schon vorstellen, dass unsere Bundeswehr ganz alleine im Weltraum die deutschen Interessen vertreten könnte? Wirklich passiert ist allerdings arg wenig. 

Bei ökologischen und ökonomischen Themen bestimmen Galileo und Copernicus (ehemalig GMES) die politische Agenda der EU. Telekommunikation, Datenbanken, Klimaschutz, Welthandel und eine doppelt so gute Alternative zum Navigationssystem GPS: Auch für den einzelnen EU- Bürger ist die Weltraumpolitik von enormer Relevanz. Diskrepant ist nur, dass der Bürger nicht so mitwirken kann, wie es ihm ansonsten gestattet ist. So existiert zum Beispiel kein Ständiger Ausschuss für Weltraum-Angelegenheiten im Europäischen Parlament. Die Repräsentation ist in diesem Bereich beschädigt. Mindestens ein Unterausschuss sollte vom Parlament eingerichtet werden, damit die Bürger solch eine Repräsentation ihre Stimme einbringen zu dem Thema, welches äußerst relevant für sie ist.

Solch eine Repräsentation ist ein entscheidendes Element in Kants Ideen. In Kants Theorie soll sie Besseres bewirken als eine direkte Demokratie könne. In der Praxis würde sie vor allem dazu beitragen, dass die öffentliche und mediale Aufmerksamkeit für Weltraum-Angelegenheiten steigt. Außerdem würde das Thema wohl einen prominenteren Platz in den EU-Wahlprogrammen erhalten. Das bewirkt wiederum eine bessere Repräsentation des Bürgers, denn sie könnten auch ihre Wahlentscheidungen davon abhängig machen. 

Weltraumpolitik muss größer aufgezogen werden. Es handelt sich um das größte Zukunftsthema und um einen Bereich, indem die menschliche Art langsam aber sicher förmlich hinein gesogen wird. Bei einer begrenzten Erde und dem ewigen Drang des Menschen nach Expansion sollte dies kein bisschen verwunderlich sein. Eine wirkliche Astropolitik längst jedoch noch auf sich warten – insbesondere in Europa. Wir brauchen im Grunde eine erste Astropolitik.

Der Begriff „Astropolitik“ ist im Englischen noch nicht weit verbreitet und im Deutschen weitgehend unbekannt. Er geht schließlich auch über die jetzige bescheidene Definition Deutschlands zur Nutzung des Weltraums hinaus. Eine Astropolitik wäre jedoch im Sinne von Kants Theorie gewesen. Als Aktivität der Europäischen Union hätte sie nicht nur die Aufgaben der EU im Auswärtigen erweitert, was zu Kants Definition eines „Völkerbundes“ gepasst hätte. Würden wir es schaffen, neben der schon vorhandenen Infrastruktur im All endlich auch Struktur zu schaffen, so könnten wir wohl eine weitere Föderation, eine zusätzliche Ergänzung zu den Nationalstaaten schaffen. Eine weitere Schicht in unserer Identität wäre kreiert. 

Über den Autor: Cedric Röhrich (18) ist Christdemokrat und engagiert sich in der Gesellschaft für Sicherheitspolitik. Er ist Mitglied beim Österreichischen Weltraum Forum und im Landesvorstand der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen Nordrhein-Westfalen seit 2019. Seit Anfang des Jahres 2021 koordiniert er außerdem den Niederrhein für die Europa-Union.

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