Die Bekenntnisse des heiligen Augustinus: Innerlichkeit aktueller als je zuvor

Die Bekenntnisse des heiligen Augustinus: Innerlichkeit aktueller als je zuvor
»Spät habe ich dich geliebt, du Schönheit, so alt und doch so neu, spät habe ich dich geliebt! Und siehe, du watest im Innern, und ich war draußen und suchte dich dort; und ich, mißgestaltet, verlor mich leidenschaftlich in die schönen Gestalten, welche du geschaffen. Mit mir warst du und ich war nicht mit dir … Du riefest und schriest und brachst meine Taubheit … Du berührtest mich und ich entbrannte in deinem Frieden.«
Confessiones X, 27

Augustinus von Hippo, auch bekannt als der heilige Augustinus, war ein herausragender Theologe und Philosoph des 4. Jahrhunderts. Geboren in Nordafrika, hinterließ er einen bleibenden Einfluss auf die christliche Theologie und Philosophie. Sein bekanntestes Werk, die Bekenntnisse, ist eine faszinierende autobiografische Abhandlung, die einen tiefen Einblick in Augustinus‘ Leben und seine spirituelle Reise bietet.

Die Bekenntnisse sind nicht nur ein persönliches Zeugnis, sondern auch ein bedeutendes Werk der christlichen Literatur. Augustinus reflektiert darin über seine eigenen Fehler, Irrtümer und moralischen Kämpfe, während er nach Wahrheit und Erlösung sucht. Das Werk ist in Form eines Gebets an Gott verfasst und zeigt Augustinus‘ außergewöhnliche Fähigkeit, komplexe theologische Konzepte mit persönlichen Erfahrungen zu verbinden.

Du schaffest, daß er mit Freuden dich preise, denn zu deinem Eigentum erschufst du uns, und ruhelos ist unser Herz, bis es ruhet in dir. 

Confessiones I, 1

Es ist viel über sein ungeordnetes Leben und seine Sucht nach weltlichen Vergnügungen bekannt. Als er erst 17 Jahre alt war, ließ er sich mit einer Frau ein, mit der er lange Zeit zusammenlebte und einen Sohn bekam, den sie Adeodatus nannten. Er nahm den Manichäismus als eine verlorene Religion an und suchte nach einer beständigen Wahrheit, die es ihm ermöglichen würde, seinem Leben einen Sinn zu geben. Er studierte Rhetorik und Philosophie und machte sich einen Namen als Gelehrter, aber sein unerschrockener Geist erlaubte es ihm nicht, sich zu entspannen. Inmitten der vielen Bewegungen in seinem Leben begegnete er Bischof Ambrosius, der ihm viel Wissen vermittelte und ihm das Licht gab, den wahren Weg des Glaubens zu finden. 

So begann er nach einigen Jahren der Bekehrung, die Bekenntnisse zu schreiben, das berühmteste autobiografische Buch, das je geschrieben wurde, in dem Augustinus die Utopie eines idealen Lobes entwirft. Er nimmt die Haltung eines verliebten Sohnes ein, sowohl in Bezug auf seine Mutter Monika – eine Haltung, die der Heilige in seinen reifen Jahren verherrlicht – als auch in Bezug auf das höchste Gut: Gott. Zu jener Zeit war das Christentum im Römischen Reich (nach vielen Verfolgungen) auf dem Vormarsch, und das Konzept von Gott war für die meisten einfachen Menschen nicht sehr klar. Deshalb ist dieser Kirchenvater ein entscheidender Unterschied im patristischen Denken, und seine Bekenntnisse sind die Richtschnur für den glühenden Christen. Er beschreibt sich selbst so aufrichtig als Sünder, dass seine Bekenntnisse als Vorbild, als Archetyp des erlösten Menschen, des Menschen, der seine alten Sünden bereut, gelten.

Die Bekenntnisse sind in erster Linie eine Autobiographie und damit ein historisches Dokument. In dieser Erzählung können wir eine Form der biblischen Beichte erkennen, die direkt von den Psalmen inspiriert ist, in denen Gott oft für seine Werke gepriesen wird. Augustinus verbindet ständig das Bekenntnis des Lobes und das Bekenntnis der Sünden, oder besser gesagt, indem er seine eigenen Sünden bekennt, will er uns das Lob eines barmherzigen und gerechten Gottes kundtun und die Gnade betonen, die ihn von der Sünde gerettet hat. 

Von meinen Sünden geschreckt und von der Last meines Elends bewegte ich es in meinem Herzen, dachte darüber nach und floh in die Einsamkeit; aber du hieltest mich auf und befestigtest mich mit den Worten: Darum ist Christus für alle gestorben, auf daß die, so da leben, hinfort ihnen nicht selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben ist. Siehe, Herr, auf dich werfe ich meine Sorge, auf daß ich lebe und sehe die Wunden an deinem Gesetz. Du weißt meine Unerfahrenheit und meine Schwäche: lehre mich und heile mich. Er selbst, dein einiger Sohn, in welchem verborgen liegen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis, kaufte mich los durch sein Blut. Nicht sollen mich schmähen die Stolzen, denn ich gedenke des Kaufpreises und esse und trinke und gebe aus; und ich Armer suche Sättigung von ihm, unter denen, die essen und satt werden und preisen Gott, die nach ihm fragen.

Confessiones X, 43

Die Bekenntnisse an sich sind ein langer Dialog mit Gott. Auf den ersten Blick handelt es sich nur um einen Monolog, d. h. Augustinus spricht, erklärt, erzählt, befragt, und ist eine lange Meditation über sein Leben, seinen Glauben und seine begangenen Sünden. Dank seines Charakters als Dialog mit Gott erhält sein Buch einen geistlichen Wert bis in unsere Tage und ist in eine theologische Ordnung eingeschrieben: Seine Geschichte ist die Geschichte des Menschen in seiner wesentlichen Beziehung zu Gott. 

In seinen Bekenntnissen bekennt sich Augustinus vor Gott und den Menschen. Diese offensichtliche Aussage muss durch eine andere, nicht so offensichtliche ergänzt werden: Sein Ziel ist es nicht so sehr, dass die Menschen ihn erkennen, sondern dass sie sich selbst erkennen. Er will, dass seine Geschichte wie ein Spiegel ist, in dem sie sich selbst sehen können. Das macht er uns deutlich:

Und zu welchem Zweck erzähle ich es? Damit ich und jeder Leser bedenke, aus welchen Tiefen man zu dir rufen muß.

Confessiones II, 3

Wenn man seinen Worten Glauben schenken darf, muss man zugeben, dass die Komposition dieses Meisterwerks nicht durch den Wunsch nach geistlichem Exhibitionismus motiviert war. Beide Texte lassen eine klare pastorale Absicht erkennen: Sie sollen dem Leser helfen, sich vor Gott und vor sich selbst zu stellen. Das heißt, sich von jeglichem Stolz zu befreien, der die eigene Sünde vergisst, und sich von dem Stolz der Verzweiflung zu befreien, der die Möglichkeiten ignoriert, über die man verfügt. Denn auf dem religiösen Weg des Menschen lauern zwei Gefahren, die ihn in die Irre führen können: die eine ist das Vergessen der eigenen Dunkelheit, die andere die Unkenntnis des ihm zur Verfügung stehenden Lichts. In der Tat gibt es Menschen, die glauben zu sehen, ohne sich ihrer Blindheit bewusst zu sein, und andere, die sich selbst als blind verurteilen, weil sie vergessen, dass sie sehen können. Dem einen oder dem anderen bietet Augustinus in seinen Bekenntnissen sein Wort der Orientierung für den Weg der inneren Suche nach Gott. 

Innerlichkeit als geistiger Weg

Zu den großen Schätzen, die im Werk des Augustinus entwickelt werden, gehört die Innerlichkeit, d. h. die individuelle Suche in sich selbst nach dem Sinn des Lebens, d. h. nach Gott. Die Innerlichkeit, die der Heilige von Hippo vorschlägt, geht von der sinnlichen Erkenntnis aus, durchläuft die rationale Erkenntnis und gipfelt in der geistigen Erkenntnis, die sich in der Person Jesu Christi, in seiner sichtbaren und in der Zeit gegenwärtigen Kirche offenbart. Es gibt ein erstes Moment, in dem die äußere Welt, die Welt der sichtbaren Dinge, für uns unzureichend ist. Die Dinge selbst sagen zu Augustinus: „Suche ihn über uns“ (Confessiones X, 6, 9). Das Äußere, die existierenden Dinge, die Teil unseres Lebens sind, geben uns keine Antwort, so sehr wir auch dort danach suchen. 

Es ist notwendig, nicht im Äußeren zu bleiben, sondern in uns selbst zu schauen: 

Aber von größerem Werte ist mein innerer Mensch. Ihm nämlich brachten alle Boten des Körpers Meldung zurück, der ihr Herr ist und die Antworten des Himmels der Erde und alles dessen, was darin sagte: „Wir sind nicht Gott und er hat uns selbst erst gemacht“ beurteilt. Der innere Mensch erkennt dies durch den Dienst des äußeren: ich als der innere Mensch erkannte dies; ich, ich die Seele erkannte es durch den leiblichen Sinn. Ich fragte die gesamte Welt über meinen Gott und sie antwortete mir: „Nicht bin ich es, sondern er hat mich gemacht“.

Confessiones X, 6

Ausgehend von der Erkenntnis der sinnlichen Welt verweist Augustinus also auf die Welt der Innerlichkeit als einen Raum, in dem ein besonderes Licht leuchtet, das Licht der Wahrheit. Es gibt dort eine innere und besondere Erleuchtung, die die Vernunft unterstützt. Das erste Moment geht also von der Welt der sichtbaren Dinge zur Welt der inneren Erkenntnis der Wahrheit. Dies impliziert eine Suche in sich selbst, auf der Grundlage des Natürlichen, die zum spezifisch Menschlichen führt: zum Inneren des Bewusstseins (intus).

Hier finden wir uns auf der Grundlage des Natürlichen wieder. Der Ausgangspunkt ist alles, was wir mit anderen Lebewesen teilen. Die neue Sphäre, die sich mit der Innerlichkeit öffnet, ist die der Vernunft, die Welt der Rationalität. Bis zu diesem Punkt befinden wir uns noch in der natürlich-intellektuellen Sphäre des Menschen. Das Übernatürliche ist nur möglich, wenn wir offen sind für das transzendente Wirken des göttlichen Geistes, der in unserer Innerlichkeit wirkt. Aber es gibt einen vorherigen Schritt, und das ist die Erkenntnis der Unzulänglichkeit des natürlich-menschlichen: »Gehe nicht nach draußen, kehre in dich selbst ein; im inneren Menschen wohnt die Wahrheit« (De vera religione). Um diese erste Überlegung zusammenzufassen, gibt es also einen Weg, der von der natürlichen Basis ausgeht, durch das Geistig-Menschliche hindurchgeht und sich dem Übernatürlichen öffnet.

Bis zu diesem Punkt ist sich Augustinus der verschiedenen Bereiche der Wirklichkeit (der sinnlichen, der menschlichen und der übernatürlichen) und der Nützlichkeit der Philosophie bei der Suche des Menschen nach seinem Selbst bewusst. Ziel ist es, sich selbst als Person zu erkennen, sich als Mensch zu verhalten, bewusst, frei und rational. Außerdem soll man sich dem göttlichen Geist öffnen und die Schönheit (Gott) betrachten können. Denn so wie das Natürliche, während es seinen eigenen Gesetzen in der Sphäre seiner eigenen Ordnung folgt, offen ist für das Eingreifen des menschlichen Geistes, so ist der Mensch offen für das Eingreifen des Geistes Gottes, damit die Welt der Gnade entstehen kann. Hier befinden wir uns bereits im Bereich des religiösen Glaubens, im Bereich der Theologie.

Es ist auffallend, dass Schönheit und Freiheit bei der inneren Suche, die Augustinus vorschlägt, einen herausragenden Platz einnehmen. Einerseits sehen wir, dass die Schönheit Gott selbst ist, und in der Innerlichkeit, nachdem wir die Schönheit der Schöpfung erkannt haben (foris), kommen wir in gewisser Weise in Berührung mit der absoluten Schönheit, dem in der Seele verborgenen Gott (intimus). Andererseits gibt uns die Freiheit nach dieser inneren Erfahrung die Fähigkeit, diesen Gott auf eine zutiefst intime Weise zu lieben, denn die wesentliche Bedingung der wahren Liebe ist die Freiheit.

Schließlich können wir aus den Bekenntnissen entnehmen, dass das Eingreifen Gottes nicht nur im persönlichen Leben der Menschen, sondern auch in der Weltgeschichte, die die Heilsgeschichte selbst ist, im Bereich der Innerlichkeit stattfindet. Was das menschliche Herz ausmacht, ist der Hinweis auf seine Liebe: „Daher entstanden zwei Staaten durch zweierlei Formen der Liebe. Der irdische Staat durch Selbstliebe, die bis zur Verachtung Gottes, der himmlische durch Gottesliebe, die bis zur Selbstverachtung reicht“ (De civitate dei XIV, 28). Wir haben es mit der Philosophie und Theologie der Geschichte zu tun. Im Voraus wird die Stadt Gottes über die Stadt der Welt, die auch die Stadt des Teufels genannt wird, weil er ihr Gründer ist, siegen und sich durchsetzen. Die Geschichte ist der Kampf zwischen einer Stadt und der anderen, zwischen dem Bösen und dem Guten um das menschliche Herz. Auch hier gibt es eine Innerlichkeit.

O ewige Wahrheit und wahre Liebe und liebe Ewigkeit, du bist mein Gott und Tag und Nacht seufze ich zu dir. Und da ich dich erkannte, da nahmst du mich an, auf daß ich sähe, es sei wahrhaftig, was ich sehen könnte, ich aber sei noch nicht imstande zu sehen. Du machtest die Blendung meiner geschwächten Sehkraft zunichte, da du mächtig über mir strahltest, und ich bebte vor Liebe und Schauer, und ich fand, daß ich weit entfernt sei von dir im Abstand meiner Unähnlichkeit; da war mir’s, als hörte ich deine Stimme aus der Höhe, die spräche: Ich bin eine Speise der Starken; wachse und du wirst mich genießen. Nicht wirst du mich in dich wandeln, gleich der Speise deines Fleisches, du wirst gewandelt werden in mich.

Confessiones VII, 10

Bibliographie:

  • Die Bekenntnisse des heiligen Augustinus. Leipzig : Reclam, 1888 [u.ö.] (Reclams Universal-Bibliothek ; 2791/94a)
  • METZLER Lexikon Philosophie

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